Moin zusammen
vorab, Morphometrie ist kein einfaches Geschäft, und es wird natürlich bei Fotos von lebenden Tieren um ein vielfaches schwieriger.
Dennoch wird immer wieder die Frage nach Geschlechtern gestellt, und nicht nur hier versuchen viele mit ihren Bewertungen dem Fragenden hilfreich zur Seite zu stehen. Ich vermute mal, das Diejenigen, die sich solche Bewertungen zutrauen, eine Vielzahl von Merkmalen ansehen und dies in einer Gesamtbewertung zusammenfließen lassen, also z.B. die immer wieder gern genannten Odontoden oder die Kopfform oder auch der Bauchumfang. Es ist hier häufig so wie wenn mich ein Student fragt, welcher Käfer ist das denn und warum (welche Merkmale), dann sage ich häufig, das ist der Habitus, einzelne Merkmale kann ich jetzt nicht direkt nennen, aber vom Habitus ist dies Art A und dies Art B. Das treibt die Studenten dann häufig in den Wahnsinn, weil sie dies nicht sehen können, ihnen fehlt schlicht die Erfahrung. Dabei faßt der Begriff Habitus viele kleine Einzelergebnisse zusammen, zumeist ganz unbewußt durch den Bewerter. So ähnlich läuft dies auch hier mit "Artbestimmungen" (man erinnere sich gerne an den Fred L260/L411 oder Unterschied L66/L333), und auch bei der Geschlechterfrage gibt es die gleiche Grundlage.
Nun sollte aber dieser Bewertung irgendwie eine messbare Grundlage haben. Dies versuchen wir in der Morphometrie anhand von Daten der Körperform zu vermessen, in der Regel an Fotos von aufgespannten Tieren, zumeist konservierte Tieren, manchmal aber auch von betäubten Tieren. Das sieht dann so aus wie auf der folgenden Abbildung (aus: Quevedo, Mario, Richard Svanbäck, and Peter Eklöv. 2009. Intrapopulation niche partitioning in a generalist predator limits food web connectivity. Ecology 90:2263–2274)
Bei solchen morphometrischen Messungen werden die Tiere ganz exakt in ihrer Lage in einem Styropor-Block positioniert, die Flossen schön aufgespannt (und mit Stecknadeln fixiert) so das ein möglichst kleiner Teil der Varianz auf methodischen Fehlern beruht. Dies ist natürlich hier mit unseren Fischen alles nur bedingt zu realisieren und ich würde dies niemals mit meinen lebenden Fischen machen, das ist die Sache nun wirklich nicht wert.
Aber dennoch, wenn hier unabhängige Bewertungen gemacht werden und die fast alle zum gleichen Ergebnis kommen (dank an Daniel, Sandor, Ansgar und Maik), dann führt dies zu der Vermutung, dass auch bei solchen Ledenfotos von oben beim L46 messbare Merkmale vorhanden sein sollten, die ich als unerfahrener eben nicht richtig "sehe". Diese können sich nicht auf die Größe beziehen (ich hatte alle Fotos normiert) und auch eine nicht immer ganz optimale Lage spielt hier sicher eine Rolle.
Deshalb habe ich nach einem Merkmal gesucht, was man auf solchen Fotos einfach messen kann, was größenunabhängig ist und bei dem die Lage des Tieres nicht ganz so wichtig ist (im Gegensatz z.B. zu den Flossenansätzen, die eben bei solchen Fotos von oben nicht sehr gut zu erkennen sind). Dann mißt man solche Merkmale, das geht zum Beispiel sehr einfach mit Irfanview oder ähnlichen Grafikprogrammen (es werden zum Beispiel bei einer Streckenmessung einfach die Pixel gezählt). Anzahl Pixel hat natürlich was mit Auflösung zu tun, sind also keine absoluten Maße (Strecke in mm), weshalb man nur Verhältniss-Meßgrößen zur Bewertung heranziehen kann wenn man unterschiedliche Tiere miteinander verleichen will.
Nun habe ich bei den Zebras verschiedene Strecken gemessen die immer wieder gerne genannt werden, etwa Kopfbreite oder Bauchumfang, und dies im Verhältnis zur Größe des Tieres gesetzt (ebenfalls eine Streckenmessung in der Einheit Pixel). All diese Merkmale alleine brachten keine signifikanten Unterschiede zwischen Weibchen und Männchen zutage, bis auf eins, dass zwei Steckenmessungen am Kopf miteinander ins Verhältnis setzt (somit kann man in erster Näherung ein Form beschreiben). Diese beiden Strecken war einmal die Kopfbreite am Ansatzpunkt der Brustflossen und die Kopfbreite etwa in der Mitte der Augen (man könnte auch den Vorderrand nehmen, es muss nur immer gleich gemacht werden). Das sind beides Strecken die man unabhängig von der Größe des Tieres und dessen Lage recht gut bestimmen kann, ohne große methodisch bedingte Varianz.
Und das Verhältnis zwischen der Kopfbreite im Auge und am Ansatzpunkt der Brustflossen zeigte dann einen hochsignifikanten Unterschied zwischen den "sicheren" Männchen und Weibchen aus den Expertenmeinungen. Zwei Tiere wurden unterschiedlich eingestuft (N, M) und diese lassen sich nun anhand des eben beschriebenen Messwertes ziemlich eindeutig den Weibchen zuordnen.
Dieser Messwert, und dies zur Erklärung was die meisten hier natürlich wissen, beschreibt also, dass sich bei den Männchen die Kopfbreite Richtung Maulspitze auf den ersten Millimetern (also hier bei mir bis zum Auge) kaum verändert während bei den Weibchen die Kopfbreite in diesem Bereich deutlicher zurückgeht. Sprich der breite, wuchtigere Kopf der Männchen gegenüber den Weibchen ist keinesfalls breiter, aber diese Breite besteht Richtung Maulspitze länger als bei den Weibchen, bei denen der Kopf dadurch wie ein Dreieck wirkt, bei den Männchen eher ein Dreieck mit einer rechteckigen Basis.