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Alt 15.04.2004, 18:29   #26
lfan
Jungwels
 
Registriert seit: 31.01.2003
Beiträge: 46
Hallo Michael und alle Mitleser,

mit einiger Bestürzung habe ich Dein letztes Posting gelesen.
Für den unbedarften Aquarianer hört sich das so an, als ob Du die ´Versorgung´ unserer Tiere mit Parasiten propagierst(??).

Hier nun noch einiges zur Klarstellung aus meiner Sicht:

Ursprünglich kommt die Idee der ´parasitenfreien´ Zierfischhaltung aus der Discusszene. Gerade bei diesen Tieren, die leider ideale Wirte für die meisten Parasiten darstellen, musste im Laufe der 80 Jahre festgestellt werden, dass die Zahl der Parasitenarten deutlich zunahm - wahrscheinlich auch durch die vielen Importe von Nachzuchten aus dem asiatischen Raum - und gleichzeitig eine zunehmende Resistenz dieser Plagegeister gegen die herkömmlichen Medikamente beobachtet werden konnte.

Gerhard Rahn und Dr. Norbert Menauer entwickelten daraufhin Methoden um parasitenfreie Discusstämme aufzubauen (Veröffentlichung im DATZ Sonderheft Discus, 1996). Ein Hauptgrund für diese Bemühungen ist die Tatsache der zunehmenden Resistenz, wobei durchaus zu befürchten ist, dass irgendwann kein Mittel in fischverträglichen Konzentrationen mehr wirkt - wenn ich mir die Konzentration des Wirkstoffes Praziquantel in dem neu auf dem Markt angebotenen Mittel `Muneol´ betrachte wird mir schon schwindelig(!!).
Einen Mitstreiter bei Ihren Intentionen fanden die beiden in Dieter Untergasser, einem der wohl anerkanntesten Fachleute für Fischkrankheiten (zumindest in der Discusszene).

Da ich nun seit mehr als 30 Jahren ein eingefleischter Discusfan bin habe ich mich seinerzeit auch an den aufkommenden, sehr kontrovers geführten Diskussionen beteiligt, wobei ich zunächst einen ähnlichen Standpunkt wie Du vertreten habe, indem ich eine mögliche Schwächung des Immunsystems der parasitenfrei aufgezogenen Tiere vermutete.

In einem persönlichen Gespräch mit Dieter Untergasser wurde diese Vermutung dann klar widerlegt. Herr Untergasser hatte damals die Gelegenheit zu grossangelegten Versuchen hinsichtlich dieser Thematik. Ausgangsbasis war ein grosser Zierfischzuchtbetrieb in Spanien, in den er wohl involviert war, in welchem Discusfische und Scalare, beide Arten sowohl parasitär belastet und auch parasitenfrei, gezüchtet wurden. Es wurde ganz klar festgestellt, dass sich die parasitenfrei aufgezogenen Tiere auch nach dem Einsetzen in belastete Becken (im Zuchtbetrieb und auch bei vielen Händlern) als wesentlich robuster erwiesen als die Tiere, die von Geburt an mit den Parasiten konfrontiert waren (Veröffentlichungen in diversen Discus-Fachzeitschriften).

Bei dem gleichen Gespräch erzählte mir Herr Untergasser von seinen Untersuchungen an den frisch gefangenen Tieren. Seine Argumente für eine überwiegende Parasitenfreiheit der wild lebenden Tiere waren auch schlüssig. Im Gegensatz zu unseren kleinen Aquarien ist im Amazonasgebiet die ´Parasitendichte´, d.h. die Anzahl der Parasiten in Relation zum vorhandenen Wasservolumen extrem klein.
Die Anzahl der untersuchten Tiere, die einen Parasitenbefall aufwiesen war verschwindend gering.
Dies ändert sich wahrscheinlich bereits in den Exportstationen, wo die gefangenen Tiere dicht gedrängt gehältert werden und somit bereits einem weitaus höheren Infektionsdruck ausgesetzt sind. Ein einziges befallenes Tier kann hier schon alle anderen Beckeninsassen in kurzer Zeit infizieren.
Über den Weg Grosshandel und Einzelhandel werden die Tiere dann mit weiteren neuen Parasitenstämmen belastet, wenn keine gründliche Vorsorge betrieben wird und wir Aquarianer leisten dann noch unseren Beitrag, indem wir über den Weg des Tümpel- u./o. Frostfutters die Tiere zusätzlich mit unseren einheimischen Parasitenstämmen konfrontieren.

Leider kenne ich die Aussage von Hr. Prof. Bremer nicht, es würde mich jedoch sehr interessieren wo er entsprechende Untersuchungen durchgeführt hat und vor allem: wie viele.

Aus diesen Fakten heraus habe ich mich vom einstigen Skeptiker zum überzeugten Anhänger der ´parasitenfreien´ Zierfischhaltung gewandelt und mit einiger Unterstützung von Experten eigene Untersuchungen und Behandlungsmethoden durchführen können.

Es ist übrigens auch nicht richtig, parasitenfreie Tiere als ´nicht vital´ zu bezeichnen. Wer einmal das Vergnügen hatte, sich solche Discusfische anzuschauen und mit ´normalen´ Tieren zu vergleichen wird eindeutig eine höhere Agilität und ein weitaus lebhafteres Verhalten feststellen.
Falsch ist auch die Ansicht, dass ich meine Tiere ´steril´ halte. Wer sich meine Anlage einmal angesehen hat wird zugeben, dass meine Hälterungsbedingungen alles andere als steril sind. Bei einem Filtervolumen vom z.Zt. etwa 2.000l werden wohl genügend Microorganismen vorhanden sein um das Immunsystem meiner Tiere ständig zu beanspruchen.
Die ´Parasitenfreiheit´ meiner Tiere bezieht sich lediglich auf pathogene Würmer (Flagellaten sind für den Wels nicht pathogen, zumindest wurde noch keiner entdeckt, der den Wels langfistig als Wirt akzeptiert).

Auch ist mir ein Fisch, der sich der Würmer durch sein eigenes Immunsystem nachhaltig erwehren kann, noch nicht begegnet.
Es wäre wunderbar, wenn dieses zuträfe...
Warum werden dann hier im Forum überhaupt verzweifelte Anfragen zur Behandlung des einen oder anderen Wurms gestellt???
Diese Anfragen beziehen sich auch nur auf die Würmer, die man mit blossem Auge erkennen kann. Die Vielzahl der wesentlich kleineren, nur unter dem Mikroskop erkennbaren Würmer wird hier gar nicht diskutiert, obwohl diese nicht weniger gefährlich sind.
Auch sollte man nicht vergessen, dass einige der Würmer auch auf den Menschen übertragbar sind, z.B. der südamerikanische Fischbandwurm...
Wird ein Wurmbefall beim Menschen nicht umgehend behandelt?
Warum lassen wir unsere Hund und Katzen regelmässig entwurmen?

Im Zuge der öffentlichen Diskussionen um Hälterungsrichtlinien bei Zierfischen und Medikamentenabgabeverordnungen wird meiner Meinung nach irgendwann in der Zukunft eine wirksame Behandlung befallener Tiere durch den Aquarianer selbst kaum noch möglich sein.

Macht eine Prophylaxe langfristig hier nicht mehr Sinn?
Einmal richtig behandeln, neue Infektionswege ausschliessen,
keine Parasiten - keine Medikamente...

Wie bereits gesagt, alles meine Meinung.
Ich möchte jetzt auch keinen ´Glaubenskrieg´ auslösen.
Die teilweise sehr giftigen Diskussionen (sogar mit anhängigen Rechtsstreitigkeiten) in der Discusszene sollten hier keine Wiederholung erfahren. Deshalb möchte ich mich an dieser Stelle aus der öffentlichen Diskussion ausklinken, bin aber gerne bereit weitergehende Fragen und Anregungen zu dieser Problematik per mail anzunehmen und ggf. zu beantworten.

Liebe Grüsse und (hoffentlich) noch viel Freude an Euren Tieren
Uwe (lfan) :spze:
https://www.welshome.de
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